Dienstag, 20. September 2016

Totgesagte leben länger: der Widerrufsjoker

Mitte Juni dieses Jahres war die Aufregung groß, der Widerrufsjoker wurde für tot erklärt: ein Widerruf von Darlehen (juristisch korrekt: der Widerruf der zum Vertragsschluss führenden Willenserklärung des Kunden) sei nur noch bis zum 21.06.2016 möglich. Aber Totgesagte leben länger - jedenfalls in Teilen .

Darlehensverträge , Abschlussdatum 02.11.2002 bis 10.06.2010

Diese Verträge sind tatsächlich nicht mehr widerrufbar.
Wenn diese jedoch vor den 21.06.2016 widerrufen wurden, die Bank aber den Widerruf zurück gewiesen hat und wegen der sehr zersplitterten Rechtsprechung keine weiteren Schritte unternommen wurden, lohnt es sich vielleicht doch, noch einen Blick darauf zu werfen. Etliche Streitfragen sind zwischenzeitlich vom BGH geklärt.

Deutlichstes Beispiel: in vielen Verträgen findet sich eine Fußnote "Bitte Frist im Einzelfall" prüfen in Verbindung mit der "frühestens-Formulierung" . Im Juli 2016 hat der BGH entschieden, dass eine solche Belehrung fehlerhaft ist und die Frist nicht in Gang setzt. Auch eine Verwirkung oder ein Rechtsmissbrauch (ein seeeehr bliebtes Argument der Banken) liegt im Regelfall nicht vor.

Darlehensverträge , Abschlussdatum 11.06.2016 bis 20.03.2016

Für diesen Zeitraum gilt die Wohnimmobilienkreditrichtlinie ausdrücklich nicht, hier besteht bei fehlerhafte Belehrung das "ewige Widerrufsrecht".

Bisher hieß es immer in diesem Zeitraum seien die Belehrungen richtig, so dass die Widerrufsfrist abgelaufen sei.

Jetzt stellen jedoch die ersten OLG fest, dass dies eben nicht der Fall ist. So hat das OLG Nürnberg    ( 14 U 1780/15) gerade entschieden:

"Die dem Verbraucher mitgeteilte Information, die Frist beginne nach Abschluss des Vertrags, aber erst nach Erhalt aller Pflichtangaben nach § 492 II BGB, ermöglicht es dem Verbraucher nicht, den Fristbeginn verlässlich und mit zumutbarem Zeitaufwand zu ermitteln. Denn ihm wird – von den beispielhaft genannten drei Pflichtangaben abgesehen – nicht aufgezeigt, wie viele und welche Pflichtangaben auf seinen konkreten Vertrag bezogen existieren und welche weiteren Pflichtangaben er ggf. noch erhalten muss. Damit ist nicht klar, wann die Frist zum Widerruf beginnt. Insofern liegt (entgegen LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 25.02.2016 – 6 O 6071/15, juris Rn. 57) eine der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 10.02.2015 – II ZR 163/14, juris Rn. 14; Urteil vom 15.08.2012 – VIII ZR 378/11, juris Rn. 9; Urteil vom 01.12.2010 – VIII ZR 82/10, juris Rn. 12), wonach die Formulierung „frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“ den Verbraucher über den Fristbeginn nicht richtig belehre, vergleichbare Situation vor.“

Vor einiger Zeit schon hat das OLG München die Auffassung vertreten, dass die Belehrung fehlerhaft sei, wenn bei den Pflichtangaben die "zuständige Aufsichtsbehörde" genannt werde. Diese gehört bei Baufinanzierungen nämlich in aller Regel nicht zu den Pflichtangaben.

Für Darlehensverträge, die im obigen Zeitraum geschossen wurden, kann eine Überprüfung der Belehrung also durchaus Sinn machen.

Darlehensverträge , Abschlussdatum seit dem 21.03.2016

Hier ist das Widerrufsrecht per Gesetz auf maximal ein Jahr und 14 Tage begrenzt. Egal, wie haarsträubend falsch die Belehrung auch gewesen sein mag. Ist allerdings gar nicht belehrt worden, ist die Willenserklärung noch widerrufbar. Das dürfte allerdings nur in seltenen Fällen geschehen sein.

Man sieht,  der Widerrufsjoker ist ein quicklebendiges Exemplar der juristischen Wundertiere, auch wenn er zahlenmäßig zurück gegangen ist.



Montag, 27. Juni 2016

Auch beim Testament sollte man es sich nicht zuuu einfach machen

Wie bei fast allen rechtlichen Belangen, kann man es sich auch bei der Testamentserstellung ganz einfach machen. Nehmen wir an, der Erblasser (der Einfachheit halber männlich) hat eine Ehefrau und zwei Kinder, als er sich entschließt, ein Testament zu machen: ein Blatt Papier und der handschriftliche Satz „Meine Erben sollen meine gesetzlichen Erben sein“, dazu noch die Angabe, wer den Fußball mit den Unterschriften der Fußballweltmeister von 1990 erhalten soll (also ein Vermächtnis), Datum, Unterschrift, fertig.


Aber auch diese Formulierung kann im Erbfall durchaus Schwierigkeiten machen.

Das Leben ist Veränderung und so ist es gar nicht so unwahrscheinlich, dass der Kreis der gesetzlichen Erben zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers ein ganz anderer ist, als er es zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments war:

Es können unter Umständen nach Errichtung des Testaments gesetzliche Erben neu hinzugekommen sein (z.B. weitere Kinder) oder aber gesetzliche Erben sind zwischenzeitlich schon gestorben und damit vor dem Erbfall weggefallen.

Möglich ist schließlich auch, dass Kinder dazu gekommen sind oder schon vorhanden waren, ohne dass der Erblasser davon wusste.

Eventuell hat der Erblasser zwar von außerhalb seiner Ehe geborenen Kindern gewusst, sie aber irrtümlich nicht für „gesetzliche Erben“ gehalten.

Testamente müssen zur Auslegung nach dem „wirklichen Willen des Erblasser“ erforscht werden – das Gesetz hilft mit Auslegungsregeln, wenn dieser Wille nicht durch Umstände, Zeugenaussagen oder anders festgestellt werden kann.

Eine solche Auslegungsregel findet sich in § 2066 BGB. Danach sind bei der Einsetzung der gesetzlichen Erben ohne jede weitere Bestimmung diejenigen Personen als Erben eingesetzt, die zur Zeit des Erbfalls die gesetzlichen Erben sein würden – und zwar unabhängig davon, was der Erblasser sich darunter konkret vorgestellt hatte: Das Kind, das z.B. zum Zeitpunkt der Testamentserstellung außerhalb der Ehe schon gezeugt war, von dem der Erblasser aber nichts wusste, wäre damit Erbe geworden, unabhängig davon, ob der Erblasser das gewollt hätte. Ihn selbst kann man ja nicht mehr fragen......

Das Gesetz stellt also für die Bestimmung der Erben auf den Erbfall, und nicht auf den Zeitpunkt der Testamentserrichtung ab.

Sobald jedoch in dem Testament in Zusammenhang mit den gesetzlichen Erben Namen dieser Erben auftauchen, ist die Auslegungsregel nicht mehr anwendbar. Das gilt auch, wenn der Erblasser den gesetzlichen Erben verschiedene Erbteile zugewandt hat oder sogar selber einen Zeitpunkt angegeben hat, zu dem die gesetzlichen Erben ermittelt werden sollen.


Man sieht: selbst der vermeintlich „einfachste und sicherste Weg“ kann ungeahnte Fallstricke mit nicht gewollten Konsequenzen haben. Wenn man dann noch bedenkt, dass Erbstreitigkeiten viel Geld kosten und ihr Ausgang – gerade wenn es um Auslegungsfragen geht – oft ungewiss ist, ist eine Beratung beim Anwalt bzw. der Anwältin Ihres Vertrauens eine sehr sinnvolle Investition.


Freitag, 20. Mai 2016

Widerruf bei Kreditverträgen - Wichtiges zur Frist beim Widerrufsjoker

Das Thema „Widerruf von Willenserklärungen bei Verbraucherkreditverträgen“ ist ja zur Zeit fast in aller Munde. Insbesondere die Frage, wie lange so ein Widerruf überhaupt noch möglich ist, spielt  eine wichtige Rolle.

Für Kreditverträge, die bis zum 10.06.2010 abgeschlossen wurden, gilt, dass sie nur noch bis zum 21. Juni 2016 den Widerruf erklären können.

Leider hat sich der Gesetzgeber nicht so ganz klar ausgedrückt, ob das Widerrufsrecht mit Beginn des 21.6. (also um 0:01 h des 21.06.) erlischt oder mit Ablauf des 21.6. (also um 23.59 h des 21.06.). Nicht klar ist auch, ob es für die Rechtzeitigkeit auf den Zugang des Widerrufs ankommt oder ob die rechtzeitige Absendung genügt. Nach den Widerrufsbelehrungen reicht es, dass rechtzeitig abgesendet wurde.

Falls der Zugang der maßgebliche Zeitpunkt sein sollte, bleibt außerdem zu beachten, dass es für Zugang auch auf die Möglichkeit der Kenntnisnahme ankommt – so dass der Widerruf dann zu „betriebsüblichen“ Zeiten bei der Bank eingehen sollte.

Um ganz sicher zu sein, sollte der Zugang also bis Montag, 20.06.2016 am Nachmittag nachgewiesen sein.

Denken Sie aber auch daran, dass ggf. die Faxanschlüsse in den Tagen vor Ablauf der Frist ggf. sehr belastet sein können, so dass es u.U. nur schwer möglich sein wird, den Widerruf „durch“ zu bekommen.

Erklären Sie den Widerruf per Fax, bewahren Sie das Sendeprotokoll auf und lassen sich ggf. telefonisch den Erhalt und die Lesbarkeit bestätigen. Notieren Sie den Namen und das Datum.

Bei einem Widerruf per Email betätigen Sie die Optionen "Erhalt bestätigen" und "Übermittlung bestätigen" und drucken Mail und Bestätigungen aus. Bevorzugen Sie den Postweg, verwenden Sie "Einwurfeinschreiben". Einige Tage später können Sie die Zustellung online abfragen. Das ist allerdings nur wenige Wochen möglich.

Grundsätzlich kann man den Widerruf auch per Gerichtsvollzieher zustellen lassen (für juristische Laien allerdings nicht empfehlenswert) oder in einer Filiale der jeweiligen Bank persönlich oder durch Boten übergeben – dabei jedoch den Empfang unbedingt auf einer Kopie bestätigen lassen.


Um es noch einmal ganz deutlich zu sagen: zeitkritisch wegen der Frist zum 21.06. ist allein der WIDERRUF, nicht eine Klageerhebung oder sonstige Schritte. Ist der Widerruf rechtzeitig / fristgerecht bei der Bank eingegangen, so ist danach Zeit, mit der Bank zu verhandeln: Ansprüche, die sich aus einem Widerruf ergeben, unterliegen der regelmäßigen, dreijährigen Verjährungsfrist, verjähren also erst zum 31.12.2019.

Wenn Sie es nicht mehr schaffen, Ihre Belehrung rechtzeitig anwaltlich oder von der Verbraucherzentrale überprüfen zu lassen - erklären Sie den Widerruf. Ein ggf. "unwirksamer" Widerruf ist für das Darlehensverhältnis unschädlich. Weist die Bank den Widerruf zurück, können Sie sich (fach-)anwaltlichen Rat holen, ob es Sinn macht, die Bank noch einmal mit juristischen Argumenten zum Einlenken zu bewegen.

Freitag, 1. April 2016

Widerrufsjoker - das Landgericht Hamburg "kippt um"


Bisher hat das Landgericht Hamburg in den Widerrufsfällen regelmäßig Rechtsmissbrauch und / oder Verwirkung angenommen, wenn sich Darlehensnehmer durch den Widerruf von vor Jahren geschlossenen  Kreditverträgen lösen wollten. Auch die nächste Instanz, das Hanseatische Oberlandesgericht, hat diese Auffassung vertreten. Jetzt hat das Landgericht Hamburg  das Bankhaus Wölbern i.L. mit Urteil vom 26. Februar.2016 - 328 O 147/15 - zur Rückabwicklung einer am 22. Dezember 2004 abgeschlossenen Beteiligung an der 56. IFH geschlossener Immobilienfonds für Holland verurteilt. Die finanzierende Bank hat dem Anleger das investierte Eigenkapital zurückzuzahlen, kann aus dem Darlehen keinerlei Ansprüche mehr gegenüber dem Kläger geltend machen und hat dem Kläger Nutzungsersatz für die erbrachten Leistungsraten zu zahlen.

Das von Banken immer wieder vorgebrachten Argument, dass der Widerruf rechtsmissbräuchlich oder treuwidrig sei, sah das LG als nicht gegeben. Ferner habe die Beklagte spätestens mit Kenntnis des BGH-Urteils vom 23. Juni 2009 die Fehlerhaftigkeit der Belehrung erkennen und eine Nachbelehrung vornehmen müssen.

Das Landgericht hebt hervor, dass das Widerrufsrecht unabhängig von den Motiven des Verbrauchers bestehe. Ein Rechtsmissbrauch sei nicht schon deshalb anzunehmen, weil sich der Anleger sich aus wirtschaftlichen Erwägungen von der Beteiligung habe trennen wollen. Die Motivation des Widerrufenden müsse außen vor bleiben und sei vom Gesetz als Voraussetzung nicht vorgesehen. Würde man auf die Gesinnung des Widerrufenden abstellen, müsse auch jeder Widerruf, der innerhalb der Widerrufsfrist nach ordnungsgemäßer Belehrung erfolgt, entsprechend hinterfragt werden. Der Widerruf sei auch nicht verwirkt. Da das Darlehen zum Zeitpunkt des Widerrufs noch bestand, habe die Bank nicht damit rechnen dürfen, dass der Darlehensnehmer sein Widerrufsrecht nicht mehr ausüben werde. Hieran ändere auch der Umstand nichts, dass der Abschluss des Darlehens bereits fast 10 Jahre zurückliege . Auch für Klagen gegen die HASPA (Hamburger Sparkasse AG) sind die Chancen, den Widerruf durchzusetzen, dadurch erheblich gestiegen.
Lassen Sie sich beraten, bevor ab Mitte Juni der gesetzliche Ausschluss des Widerrufs  von Altfällen greift !

Donnerstag, 31. März 2016

Der "Leuchtturm" der Bausparer - das OLG Stuttgart

Gestern Nachmittag kam es über die Ticker, sogar die Nachrichten der öffentlich-rechtlichen Sender berichteten:

Das OLG Stuttgart hat als erstes Berufungsgericht die Kündigung einer Bausparkasse für unwirksam erklärt (Urteil vom 30.03.2016, 9 U 171/15) - alle anderen OLG (z.B. Celle, Hamm, Koblenz) hatten der Bausparkasse Recht gegeben.

All diesen Verfahren liegt ein ähnlicher Sachverhalt zu Grunde: die Bausparverträge sind seit mehr als 10 Jahren zuteilungsreif, werden nicht mehr weiter bespart, die Bausparsumme ist aber noch nicht erreicht.

Aus der Pressemitteilung des OLG Stuttgart:
"Der Senat hält die Kündigung der Bausparkasse für unberechtigt. Diese könne sich nicht auf die Vorschrift des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB berufen, wonach ein Darlehensnehmer das Darlehen zehn Jahre nach dessen vollständigem Empfang kündigen könne. Nach den All-gemeinen Bausparbedingungen (§ 5 Abs. 1 ABB) sei der Bausparer verpflichtet, Regelsparbeiträge bis zur erstmaligen Auszahlung der Bausparsumme zu zahlen. Vor Ende dieser Pflicht habe die Bausparkasse das als Darlehen anzusehende Guthaben nicht vollständig empfangen. Der Zeitpunkt der Zuteilungsreife spiele nach den Vertragsbedingungen keine Rolle. 

Die gesetzliche Kündigungsvorschrift sei entgegen der Auffassung der Bausparkasse auch nicht analog anwendbar. Die überlange Vertragsdauer beruhe zwar auf der vertragswidrigen Einstellung der Sparleistungen durch die Bausparerin. Diese müsse die Bausparkasse aber nicht hinnehmen: Nach den Vertragsbedingungen könne sie die Bausparerin auffordern, die vertraglich geschuldeten Sparbeiträge wieder zu leisten. Werde der Aufforderung nicht Folge geleistet, habe die Bausparkasse ein (kurzfristiges) vertragliches Kündigungsrecht und es dadurch selbst in der Hand, eine überlange Bindung an den Vertragszinssatz zu verhindern. Im Fall der ordnungsgemäßen Vertragsdurchführung wäre die Bausparsumme innerhalb von zehn Jahren ab Zuteilungsreife vollständig angespart worden. Wenn die Bausparkasse selbst – möglicherweise im eigenen Interesse – ein faktisches Ruhen des Bausparvertrages erlaube und ein vertragliches Kündigungsrecht nicht nutze, sei sie nicht schutzbedürftig und könne sich nicht später auf eine analoge Anwendung eines gesetzlichen Kündigungsrechts berufen."
Besonders interessant im vorliegenden Fall ist, dass das erstinstanzlich zuständige Landgericht Stuttgart die Klage der Bausparerin noch abgewiesen hatte. In einem von mir vor einer anderen Kammer des LG Stuttgart erstrittenem Urteil ( LG Stuttgart 12 O 100/15 ) wurde der Klage meines Mandanten statt gegeben. Gegen dieses Urteil hat die Wüstenrot Berufung eingelegt - aber bis heute aufgrund diverser Fristverlängerungen nicht begründet. Ich bin gespannt.....
Fazit: es kann sich lohnen, gegen die Kündigungen von Bausparverträgen vorzugehen. Die "Kündigungswelle" ist sicher noch nicht vorbei ! Übrigens müssen Rechtsschutzversicherungen in der Regel die Kosten für den Prozess übernehmen. Lassen Sie sich (fach-)anwaltlich beraten.

Montag, 25. Januar 2016

Und noch eins auf´s Dach - keine Vorfälligkeitsentschädigung bei Kreditkündigung durch die Bank

Nachdem der BGH in diesem Jahr bereits geklärt hat, dass die Berücksichtigung von Sondertilgungsmöglichkeiten bei der Berechnung von Vorfälligkeitsentschädigungen nicht durch AGB verhindert werden kann,  hat er mit Urteil vom 19. Januar 2016 zum Aktenzeichen  XI ZR 103/15 entschieden, dass in  § 497 Abs. 1 BGB (in der bis zum 10. Juni 2010 geltenden Fassung) eine spezielle Regelung zur Schadensberechnung bei notleidenden Krediten enthalten ist, die vom Darlehensgeber infolge Zahlungsverzugs des Darlehensnehmers vorzeitig gekündigt worden sind. Die Vorschrift schließt die Geltendmachung einer als Ersatz des Erfüllungsinteresses verlangten Vorfälligkeitsentschädigung aus.

Dem Fall liegt ein Sachverhalt (vereinfacht) zu Grunde, der nahezu täglich Realität ist: ein Darlehen, mit dem eine Immobilie finanziert wurde, kann vom Kunden nicht mehr bedient werden – die Bank kündigt den Kredit. Neben der dann noch offenen Darlehenssumme und den Zinsen verlangt die Bank eine oft horrende Vorfälligkeitsentschädigung. Die Folge ist, dass bei der Verwertung der Immobilie oft noch eine Restsumme zu Lasten der Kunden / ehemaligen Eigentümer bleibt, die diese u.U. sogar in die Privatinsolvenz treiben kann.
Der BGH ist der Ansicht, dass dies nicht zulässig ist, da sich aus den Gesetzesbegründung ergebe, dass  ein „Rückgriff auf den Vertragszins grundsätzlich ausgeschlossen" sein (BT-Drucks. 11/5462, S. 26 zur Vorgängernorm des § 11 VerbrKrG). Der Gesetzgeber wollte damit die Schadensberechnungsmöglichkeiten einer einfachen und praktikablen Neuregelung zuführen. Zugleich sollte mit der Festlegung der Höhe des Verzugszinses auch dem Verbraucher die Möglichkeit gegeben werden, die Höhe der Mehraufwendungen im Verzugsfall selbst zu berechnen. Dieses Ziel der (Prozess-)Vereinfachung würde indes nicht erreicht, wenn der Darlehensgeber anstelle der einfachen Verzugszinsberechnung auf die im Zeitpunkt der Wirksamkeit der Kündigung bestehenden Zahlungsrückstände eine Vorfälligkeitsentschädigung beanspruchen könnte. Vor allem aber würde bei Zubilligung einer Vorfälligkeitsentschädigung, die im Ausgangspunkt auf dem Vertragszins beruht, das vornehmliche Ziel des Gesetzgebers, einen Rückgriff auf den Vertragszins für die Schadensberechnung nach Wirksamwerden der Kündigung grundsätzlich auszuschließen, verfehlt.

 Die Banken haben immer eingewendet, damit stehe der  vertragsbrüchige Kunde (der die Raten schlicht nicht mehr zahlt oder zahlen kann) gegenüber dem vertragstreuen Schuldner (der den Vertrag kündigt, weil z.B. das Objekt wegen eines berufsbedingten Umzugs und dafür unstreitig Vorfälligkeitsentschädigung zahlen muss) besser da.  Diesem Argument hat der BGH einen Riegel vorgeschoben : der Gesetzgeber habe dies bewusst in Kauf genommen, indem er bei Überführung der Vorgängerregelung in das Bürgerliche Gesetzbuch nicht eingeschränkt oder abgeschafft, sondern sogar noch ausgeweitet hat.
Kunden, denen Kredite wegen Zahlungsverzuges / Nichtzahlung der Raten gekündigt wurde und die nach dem 01.01.2013 Vorfälligkeitsentschädigung zahlen mussten , tun gut daran,  die „Abrechnung“ ihrer Bank überprüfen zu lassen und ggf. die Vorfälligkeitsentschädigung zurück zu fordern.

Dienstag, 19. Januar 2016

Wieder eine "Schlappe" für die Banken - BGH zur Vorfälligkeitsentschädigung


Wenn Kredite vorzeitig abgelöst werden sollen oder müssen, verlangen Banken Vorfälligkeitsentschädigung. Dies steht ihnen dem Gesetz nach auch zu (§ 490 Abs. 2 Satz 3 BGB für Immobilienkredite, § 502 BGB für die übrigen Darlehen). Ärgerlich ist allerdings, dass diese Vorfälligkeitsentschädigungen bei Immobilienkrediten der Höhe nach nicht begrenzt sind. Selbst wenn die Berechnungsgrundsätze, die der Bundesgerichtshof (BGH) aufgestellt hat, korrekt angewendet werden, sind oft Beträge von mehreren zehntausend Euro fällig.
Sind in den Darlehensverträgen Sondertilgungsmöglichkeiten vereinbart (meist einmal jährlich 5 oder 10% der ursprünglichen Darlehenssumme), so ist nach allgemeiner Ansicht, diese Möglichkeit der Sondertilgung bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung zugunsten des Kunden voll zu berücksichtigen. Dies gilt unabhängig von der Frage, ob der Kunde in der Vergangenheit die Möglichkeit zur Sondertilgung jemals genutzt hat oder aktuell überhaupt die Liquidität hätte, Sondertilgungen zu erbringen.
Da die Banken ja höchst findig sind, wenn es darum geht, an das Geld ihrer Kunden zu kommen, ist eine Sparkasse auf die Idee gekommen, in ihren AGB (hier in formularmäßigen "Besonderen Vereinbarungen") festzuschreiben, dass Sondertilgungsmöglichkeiten bei der Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung NICHT eingerechnet werden.

Dem hat der BGH mit seinem heutigen Urteil einen Riegel vorgeschoben: solche Klauseln sind unwirksam !
Der BGH führt dazu aus:
„…………….. Die rechtlich geschützte Zinserwartung wird - unter anderem - durch vereinbarte Sondertilgungsrechte begrenzt. Diese begründen ein kündigungsunabhängiges Teilleistungsrecht des Darlehensnehmers zur Rückerstattung der Valuta ohne Verpflichtung zur Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung. Mit der Einräumung solcher regelmäßig an bestimmte Voraussetzungen geknüpften Sondertilgungsrechte gibt der Darlehensgeber von vornherein seine rechtlich geschützte Zinserwartung im jeweiligen Umfang dieser Rechte auf. Von diesen Grundsätzen der Bemessung der Vorfälligkeitsentschädigung nach § 490 Abs. 2 Satz 3 BGB weicht die beanstandete Regelung zum Nachteil des Darlehensnehmers ab, indem dessen künftige Sondertilgungsrechte, die die Zinserwartung der Beklagten und damit die Höhe der von ihr im Falle einer Kündigung nach § 490 Abs. 2 Satz 1 BGB zu beanspruchenden Vorfälligkeitsentschädigung beeinflussen, bei der Berechnung - generell - ausgenommen werden.

Die generelle Nichtberücksichtigung vereinbarter künftiger Sondertilgungsrechte bei der Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung führt zu einer von der Schadensberechnung nicht gedeckten Überkompensation der Beklagten. Die Klausel ist deshalb mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, unvereinbar und benachteiligt die Kunden der Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen. Die Überkompensation wird nicht anderweit ausgeglichen oder auch nur abgeschwächt. Die Beklagte führt auch keine Umstände oder Erschwernisse an, die eine Außerachtlassung künftiger Sondertilgungsrechte bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung rechtfertigen könnten."

Wieder eine ordentliche Schlappe für die Banken!
Sollten Sie in den Jahren 2013, 2014 oder 2015 Vorfälligkeitsentschädigung gezahlt haben, sollten Sie überprüfen lassen, ob vertraglich eingeräumte Sondertilgungsrechte auch korrekt berücksichtigt wurden. Sollte im Darlehensvertrag nicht festgelegt sein, wann die Sondertilgung geleistet werden kann (oft wird nur gesagt „einmal pro Kalenderjahr“), muss sie bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung fiktiv als am 01.01. geleistet einbezogen werden. Allein dies kann erhebliche Rückzahlungsbeträge zu Ihren Gunsten bedeuten.

Vereinbaren Sie bei einer Fachanwältin / einem Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht einen Beratungstermin – es könnte sich lohnen.

Montag, 18. Januar 2016

#schlafanzugchallenge - was ist das denn ?


Dieses Blog hat ja den Untertitel „Sinn und Wahnsinn der Juristerei“ – heute will ich darüber berichten, was ich mir als Anwältin sonst noch für „Wahnsinn“ antue. Und zwar völlig freiwillig.
Vor sehr langer Zeit – es ist mehr als zehn Jahre her – lernte ich Leonie und Markus Walter kennen. Die beiden sind Gesellschafter / Geschäftsführer der Fa. Walter Visuelle PR GmbH. Dieser Kontakt hat sich bis heute erhalten, man steht über die sozialen Medien im Austausch, auch gegenseitige Besuche in Hamburg und Wiesbaden fanden statt.


Leonie und Markus sind echte Marketing-Experten und ich bekam von Ihnen schon den ein oder anderen Tipp. Letztes Jahr im Januar riefen die Beiden dann die "Schlafanzug-Challenge" ins Leben. Die Idee dahinter: zwei Wochen kurze Webinare, morgens um 6.45 h. Leonie und Markus geben im Schlafanzug / Nachthemd gut gelaunt und sehr munter Tipps zu Marketing, Vertrieb und Pressearbeit. Den Teilnehmern steht es natürlich frei, ob sie dem Ganzen in Nacht- oder Buinesskleidung folgen – sie sind nicht zu sehen, aber durch eine Chatfunktion interaktiv dabei. Auch eine geschlossene Facebook-Gruppe gibt es, auf twitter wird #schlafanzugchallenge genutzt.

Und was hat das jetzt mit „Wahnsinn“ zu tun ? Nun, diejenigen, die mich kennen, wissen, dass ich alles andere als eine „Lerche“ bin. Ich bin genau das Gegenteil – eine „Schlafratte“. Trotzdem habe ich mich in diesem Jahr zur 2. Schlafanzug-Challenge angemeldet. Natürlich ist mir klar, dass einige der Tipps und Anregungen für eine Anwaltskanzlei (schon aus berufsrechtlichen Gründen) nicht umsetzbar oder auch nur sinnvoll sind. Andererseits geben auch diese Dinge jedenfalls Denkanstöße und lassen neue Ideen für´s Marketing der Kanzlei „aufploppen“.

Ich sitze also nun morgens, bis zum 29.01. an jedem Arbeitstag, gegen 6.40 h  mit kleinen Augen und viiiiel Kaffee in der Kanzlei (weil ich in meiner Wohnung bewusst keinen Internetzugang habe) vor dem Rechner und folge trotzdem gebannt den Ausführungen von Leonie und Markus und dem Chat.

Wenn das nicht Wahnsinn ist……..;-)
P.S.: man kann sich übrigens noch anmelden - die Teilnahme ist kostenlos!

Mittwoch, 13. Januar 2016

Testament ohne Datum


Im vorherigen Beitrag hatte ich darauf aufmerksam gemacht, dass ein Datum zur Gültigkeit eines handschriftlichen Testaments zur Gültigkeit grundsätzlich nicht erforderlich ist (bei einem notariellem Testament stellt sich die Problematik nicht). Das Fehlen des Datums oder ein nicht vollständiges oder nicht lesbares Datum kann jedoch – wie das OLG Schleswig jüngst entschied - dann zur Unwirksamkeit eines Testamentes führen, wenn es mehrere Testamente gibt.

Folgender (verkürzter) Sachverhalt lag diesem Urteil zu Grunde:

Der Erblasse hatte unstreitig bereits mehrere Testamente (teils handschriftlich, teils notariell) verfasst und wirksam widerrufen. Nach seinem Tod wurde ein Zettel bei Gericht eingereicht:

"Mein heutige Testament!

Donnerstag 09. (folgende Zahlen kaum leserlich) 09.

D erbt nach meinem Ableben Alle meine Ersparten Gelder (DM) Sparkasse / Commerzbank Lübeck.

Frau Z verwaltet es.

(Unterschrift des Erblassers)!"

Das OLG stellt fest, dass nicht von einem gültigen Testament ausgegangen werden kann, weil mangels sicherer Datierung nicht festgestellt werden kann, ob es zeitlich nach dem wirksamen, inhaltlich aber entgegenstehenden notariellen Testament vom April 2008 (das war das jüngste bestehende Testament) errichtet worden ist. Das OLG Schleswig hält weiter fest, dass die äußere Form des Schriftstücks als „Schmierzettel“ der Eigenschaft als Testament nicht entgegensteht. Ein Testament könne auch auf einem „Notizzettel“ errichtet werden. Bei der Verwendung von verkehrsunüblichen Materialien für ein Testament sei aber der ernstliche Testierwille besonders zu hinterfragen. Das OLG führt hierzu aus, dass aus dem Schriftstück deutlich wird, dass es sich nicht um einen bloßen Entwurf handeln sollte. Die Überschrift „Mein Heutige Testament“, der folgende Text und die abschließende Unterschrift mit vollem Vor- und Nachnamen, legen die Annahme eines Testierwillens nahe.

Gemäß § 2247 Abs. 2 BGB soll der Erblasser angeben, zu welcher Zeit (Tag, Monat und Jahr) er die letztwillige Verfügung niedergeschrieben hat. Die Zeitangabe stellt damit kein zwingendes Formerfordernis dar. Falsche Orts- und Zeitangaben führen nicht schon von sich aus zur Unwirksamkeit des Testaments. Der genaue Errichtungszeitpunkt ist nur dann von Bedeutung, wenn ab einem bestimmten Zeitpunkt die Testierfähigkeit des Erblassers nicht mehr vorlag, oder wenn es beim Vorliegen mehrerer Testamente darauf ankommt, welches das spätere Testament ist. Ergeben sich danach Zweifel über die Gültigkeit eines Testaments, ist dieses gemäß § 2247 Abs. 5 Satz 1 BGB nur dann als gültig anzusehen, wenn sich die notwendigen Feststellungen über die Zeit der Errichtung anderweitig treffen lassen, z.B. aus dem sonstigen Inhalt der Urkunde.

§ 2247 Abs. 5 BGB regelt zwar ausdrücklich nur den Fall, dass das Testament keine Angaben über den Zeitpunkt der Errichtung enthält. Die Vorschrift ist aber erweiternd dahin auszulegen, dass sie auch Anwendung findet, wenn das Testament ungenaue Zeitangaben enthält und sich hieraus Zweifel über die Gültigkeit ergeben.

Das OLG Schleswig versucht dann noch, über eine Auslegung zu einer "sicheren" Datierung des Testamentes zu kommen, was aber nach Ansicht des Gerichts scheitert.

Fazit:

Kann einer vorhandenen Datumsangabe kein eindeutiger Inhalt beigemessen werden und lässt sich der Zeitpunkt nicht anderweitig klären, steht das Testament einem nicht datierten gleich. Hieraus ergeben sich dann Zweifel an der Gültigkeit, weil das nicht datierte Testament zeitlich früher entstanden sein kann, als ein eindeutig datiertes späteres Testament. Diese Zweifel gehen zu Lasten desjenigen, der sich auf das undatierte Testament beruft (hier: D).